Rheinpfalz vom 22. 07. 2005
Kann denn Liebe Sünde sein?
Der Künstler Markus Koeck zeigt seinen "Garten der Lüste" in der Homburger Galerie m beck
Von unserem Mitarbeiter Stefan Folz
Es war eine Zeit des Aufbruchs und der Neuerungen. Gleichzeitig ging der Übergang vom finsteren Mittelalter zur Renaissance mit Sittenverfall und Orientierungslosigkeit der Menschen einher. Der Maler Hieronymus Bosch hat diese Welt des Chaos in seinen Bildern verarbeitet. Fremdartig und doch vertraut scheinen uns die Ausschweifungen, wenngleich sich die tiefgründige Symbolik nicht mehr in ihrer Gänze offenbart. Denn zu fremd ist heute die Denkweise des 15. Jahrhunderts geworden. Der Künstler Markus Koeck hat versucht, das Universum des Hieronymus Bosch zu entschlüsseln und in unsere Sprache zu übersetzen.
Die Homburger Galerie m beck zeigt unter dem Titel "Garten der Lüste" Koecks Arbeiten in einer zusammenhängenden Inszenierung mit Mitteln klassischer Fotografie, plastischer Installationen, Raumbeduftung und digitaler Medien. Ausgangspunkt ist dabei das Bosch-Tryptichon "Garten der Lüste", das in ebenso düsteren wie rätselhaften Bildern den Garten Eden, irdische Existenz und schließlich die ewige Verdammnis in der Heimat des Teufels zeigt. Paradies und Hölle sind für die meisten Menschen heute abstrakte Begriffe geworden, weshalb sich Koeck in erster Linie auf die Gegenwartsschilderung konzentriert.
Freizügiges Denken, Wohlstand und die Möglichkeit, mittels neuer Medien an jedem Ort der Welt zu sein, machen es möglich, fast jeden Wunsch zu erfüllen. Auch bei der Partnerwahl, wie Koecks Bilderreihe mit Kontaktanzeigen zeigt. Dabei hat der 1967 geborene Künstler Originaltexte mittels einer Übersetzungssoftware zunächst ins Englische übertragen und sie dann wieder zurück ins Deutsche verarbeiten lassen. Das Ergebnis ist witzig und erschreckend zugleich, denn durch die manchmal absurden Wortzusammenstellungen wird die Denkweise und Anspruchshaltung der Kontaktsuchenden entlarvt.
Eitelkeit und die damit verbundene Selbstinszenierung, die man im Mittelalter zu den sieben Todsünden zählte, sind allgegenwärtig, sind manchmal sogar zum Religionsersatz geworden. Das eigene Ich und seine Präsentation erhalten die Aura göttlichen Glanzes. Zwei Arbeiten von Markus Koeck versinnbildlichen mit ironischem Augenzwinkern dieses Phänomen. Zum einen eine Lichtskulptur, von der Fußspuren strahlenförmig nach außen zeigen, zum anderen eine altarähnliche Rauminstallation, in deren Mittelpunkt eine rote Bodenfläche zu sehen ist. Kreuzförmig auch hier wieder Fußspuren als Symbol für das Individuum und in der Mitte Platz genug, sich selbst als lebende Heiligenfigur aufzustellen.
Hieronymus Bosch hat in seinem "Garten der Lüste" eine
eher utopische Szenerie geschaffen, die wenig mit der Wirklichkeit seiner
Zeit zu tun gehabt haben dürfte. Auf den ersten Blick ist dies bei
Markus Koeck anders, denn seine Motive sind aus unserer greifbaren Realität
entnommen. Letztendlich bleibt aber auch sein Lustgarten eine Welt, die
nur virtuell existiert und weit vom wirklichen Erleben entfernt ist. Wie
die Wahrheit hinter der fantastischen Fassade aussieht, zeigt eine Fotoserie
mit kahlen Bäumen, verstreutem Abfall und schäbigen Gebäuden.
Vielleicht sollten wir unsere Bildschirme einmal abschalten und sehen,
was sich dahinter verbirgt.